Die Unabhängigkeit wird (scheinbar) erklärt aber ihre Wirkung wird zugleich aufgeschoben. So endete die gestrige, zitternd erwartete Sitzung des katalanischen Parlaments. Das Dokument wird von Puigdemont in einem Nebenraum unterzeichnet. In die parlamentarischen Akte wird es nicht eingetragen. Puigdemont ist zu weit gefahren, nun muss er zurückrudern.
In einem unrühmlichen Theater: So endete die gestrige, zitternd erwartete Sitzung des katalanischen Parlaments. Der Rede des Präsidenten Kataloniens Carles Puigdemont flogen Sorgen voran, sie hätte Ungeheuer gebracht. Zehntausende warteten am Vorplatz des Abgeordnetenhauses nur darauf, dass er die Unabhängigkeit verkündete. Auf die Menschenmasse fällt plötzlich eine tödliche Stille. Die lang erhoffte, ersehnte, erkämpfte Unabhängigkeit entpuppt sich als eine missratene.
Die Unabhängigkeit wird (scheinbar) erklärt aber ihre Wirkung wird zugleich aufgeschoben. Tränen, Unmut, Verzweiflung unter den Reihen der Unabhängigkeitskämpfer, und doch keine Erleichterung auf dem anderen Lager. Die Rede Puigdemonts war ein Kabinettstück des Unsinns. Er setzte die Wirkung einer Erklärung aus, die er nicht abgab; eine Erklärung, deren Grundlage ein Referendum sein soll, das die gesetzlichen Voraussetzungen nicht einmal annähernd erfüllt. Schlussakt des Theaterspiels ist die Unterzeichnung der Erklärung. Das Dokument wird nicht im Plenarsaal des Parlaments beraten, über den Inhalt wird es nicht einmal abgestimmt. Die Erklärung wird von Puigdemont selbst in einem Nebenraum unterzeichnet. In die parlamentarischen Akte wird sie nicht eingetragen. Sic transit gloria mundi.
Der Streit ist bei weitem nicht zu Ende. Was im katalanischen Parlament passiert ist, hat man eigentlich nicht verstanden. Die spanische Zentralregierung meldete sich heute früh bei Puigdemont und fragte ihn, was er gestern eigentlich wollte. Hat er die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt, erklärt und aufgeschoben, überhaupt nicht erklärt, die Erklärung gezeichnet, publiziert, verkündet? Die Regierung Madrids ist dortgeblieben, wo sie war. Puigdemont ist zu weit gefahren, nun muss er zurückrudern und irgendwie das Gesicht wahren.
30 Grossunternehmen haben ihren Sitz ausserhalb von Katalonien verlegt, von den sieben börsennotierten katalanischen Gesellschaften bleibt auf katalanischem Boden nur noch eines. Viele klein- und mittelständische Unternehmen bereiten das gleiche Verfahren. Ausländische Investitionen bleiben bis zur Klärung der Angelegenheit aus.
Viele Bürger beginnen, um den eigenen Arbeitsplatz zu fürchten; wer Geld hat, eröffnet ein neues Konto weg von Katalonien, lange Schlangen bilden sich vor den Banken in Barcelona. Die Realität tut weh, wenn der Traum aus ist.